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Sachverständige und ihre Aufgaben

  1. Begriff und Aufgaben
    Sachverständige nehmen aufgrund ihrer Sachkunde zu tatsächlichen Sachverhalten Stellung. Sie haben die Aufgabe, unparteiisch, unabhängig und objektiv den vorgegebenen Sachverhalt fachlich zu beurteilen. Mit Hilfe von Sachverständigengutachten können gerichtliche Streitigkeiten vermieden oder, falls es dazu kommen sollte, richtige und gerechte Entscheidungen getroffen werden. Dennoch sind Gutachten grundsätzlich nicht rechtsverbindlich. Der Richter ist vielmehr verpflichtet, die Erkenntnisse des Gutachters kritisch zu überprüfen und sich im Rahmen der freien Beweiswürdigung eine eigene Überzeugung zu bilden. Ggf. muss er ein weiteres Gutachten einholen.
    Aufgabenbereiche von Sachverständigen:
    Feststellung von Tatsachen
    Beispiele: Feststellung von Bauschäden, von Altlasten, des Blutalkoholspiegels, der chemischen Zusammensetzung von Stoffen.
    Schlussfolgerungen aus Tatsachen
    Beispiele: Ursachenermittlung von Unfallschäden, Bauschäden, Funktionsmängeln von Maschinen und anderen technischen Einrichtungen.
    Darstellung von Erfahrungssätzen
    Beispiele: Feststellung der Miethöhe einer Wohnung oder eines Gewerberaums, Bewertung von Grundstücken, Häusern, Kunstgegenständen, Maschinen, Hausrat, Kraftfahrzeugen.
  2. Öffentlich bestellte Sachverständige
    Öffentlich bestellte Sachverständige sind alle Personen, die von einer öffentlich-rechtlichen Institution bestellt und vereidigt wurden (Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Landwirtschaftskammern, Bezirksregierungen, u.a.). Sie unterliegen der Aufsicht durch die Bestellungskörperschaft. Die öffentliche Bestellung hat den Zweck, Gerichten, Behörden und der Öffentlichkeit besonders sachkundige und persönlich geeignete Sachverständige zur Verfügung zu stellen.
    In Gerichtsverfahren sind bevorzugt öffentlich bestellte Sachverständige zur Gutachtenerstattung heranzuziehen; andere Sachverständige dürfen in Gerichtsverfahren nur dann mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt werden, wenn besondere Umstände dies erfordern (vgl. §§ 404 Abs. 2 ZPO, 73 Abs. 2 StPO);
  3. Pflichtenkatalog
    Anforderungen, die der Sachverständige bei der Erstattung seiner Gutachten einzuhalten hat, sind zum einen in § 407a ZPO (für alle vom Gericht beauftragten Sachverständigen) und zum anderen in der Sachverständigenordnung der jeweils zuständigen Bestellungsbehörde geregelt.
    3.1 Pflichten nach § 407a ZPO
    3.1.1 Prüfung der sachlichen Zuständigkeit
    Der Sachverständige hat unverzüglich nach Eingang der Gerichtsakten zu prüfen, ob der Gutachtenauftrag in sein Fachgebiet fällt und ohne die Hinzuziehung weiterer Sachverständiger erledigt werden kann. Ist das nicht der Fall, hat der Sachverständige das Gericht unverzüglich zu verständigen.
    3.1.2 Persönliche Gutachtenerstattung
    Der Sachverständige ist nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen Sachverständigen zu übertragen. Soweit er sich zur Erledigung des Auftrags der Mitarbeit anderer Personen (z.B seines Angestellten) bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt.
    3.1.3 Mitteilung von Zweifeln und besonders hoher Kosten
    Hat der Sachverständige Zweifel am Inhalt und Umfang seines Auftrags, so hat er rechtzeitig eine Klärung durch das Gericht herbeizuführen. Erwachsen voraussichtlich Kosten, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen, so hat der Sachverständige rechtzeitig hierauf hinzuweisen.
    3.1.4 Herausgabe der Akten
    Der Sachverständige hat auf Verlangen des Gerichts die Akten und sonstigen Unterlagen unverzüglich zurückzugeben.
    3.1.5 Kostentragung
    Wenn ein Sachverständiger nicht erscheint oder sich weigert, ein Gutachten zu erstatten, obgleich er dazu verpflichtet ist, werden ihm die dadurch verursachten Kosten auferlegt.
    3.2 Pflichten nach der Sachverständigenordnung
    3.2.1 Unparteiische Aufgabenerfüllung
    Der Sachverständige hat bei der Erbringung seiner Leistung stets darauf zu achten, dass er sich nicht dem Vorwurf der Besorgnis der Befangenheit aussetzt. Er hat bei der Vorbereitung seines Gutachtens strikte Neutralität zu wahren, muss die gestellten Fragen objektiv und unvoreingenommen beantworten und darf mit dem Auftraggeber nicht freundschaftlich verbunden sein oder ihm in feindlicher Haltung gegenüberstehen.
    3.2.2 Gewissenhafte Gutachtenerstattung
    Der Sachverständige hat seine Aufträge unter Berücksichtigung des aktuellen Standes von Wissenschaft, Technik und Erfahrung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Sachverständigen zu erledigen. Die tatsächlichen Grundlagen für ein Gutachten sind sorgfältig zu ermitteln und die erforderlichen Besichtigungen persönlich vorzunehmen. Die Gutachten sind systematisch aufzubauen, übersichtlich zu gliedern, nachvollziehbar zu begründen und auf das Wesentliche zu konzentrieren. Kommen für die Beantwortung der gestellten Fragen mehrere Lösungen ernsthaft in Betracht, so hat der Sachverständige diese darzulegen und den Grad der Wahrscheinlichkeit gegeneinander abzuwägen.
    3.2.3 Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit
    Bei der Erbringung von Leistungen darf der Sachverständige keiner Einflussnahme ausgesetzt sein, die geeignet ist, seine tatsächlichen Feststellungen, Bewertungen oder Schlussfolgerungen so zu beeinflussen, dass die erforderliche Objektivität und Glaubwürdigkeit seiner Aussage nicht mehr gewährleistet sind.
    3.2.4 Persönlichen Gutachtenerstattung
    Der Sachverständige hat die von ihm angeforderten Leistungen unter Anwendung der ihm zuerkannten Sachkunde in eigener Person zu erbringen.
    3.2.5 Schweigepflicht
    Dem Sachverständigen ist es untersagt, bei der Ausübung seiner Tätigkeit erlangte Kenntnisse Dritten unbefugt mitzuteilen oder zum Schaden anderer oder zu seinem oder zum Nutzen anderer unbefugt zu verwerten.
    3.2.6 Erstattung von Gutachten
    Die öffentliche Bestellung verpflichtet den Sachverständigen, Gutachten für jedermann zu erstatten. In den gerichtlichen Verfahrensordnungen ist diese Pflicht ausdrücklich normiert. Liegen hier Verweigerungsgründe vor, muss der Sachverständige einen Antrag auf Entbindung vom gerichtlichen Auftrag stellen.
    3.2.7 Fortbildung
    Der Sachverständige muss sich auf dem Sachgebiet, für das er öffentlich bestellt und vereidigt ist, ständig fortbilden. Darüber hinaus hat er auch einen ständigen Erfahrungsaustausch mit Kollegen und einschlägigen Institutionen zu pflegen.
    3.2.8 Haftung
    Da die Gutachtenerstattung eine persönliche und eigenverantwortliche Leistungserbringung darstellt und der Sachverständige sich in einem Eid zur gewissenhaften Gutachtenerstattung verpflichtet hat, muss er naturgemäß für die Richtigkeit seines Gutachtens einstehen und die Haftung für diejenigen Schäden übernehmen, die auf Fehler seines Gutachtens zurückzuführen sind.
  4. Beauftragung von Sachverständigen
    Soweit ein Sachverständiger für ein gerichtliches Verfahren benötigt wird, bestellt ihn das Gericht und legt den Inhalt des Gutachtenthemas im Beweisbeschluss fest. Zur Auswahl des Sachverständigen kann sich das Gericht an die Bestellungsbehörden wenden. Entweder können die von den Kammern herausgegebenen Listen, in denen sämtliche Sachverständige eines Bundeslandes - nach Sachgebieten und bestellten Sachverständigen geordnet - verzeichnet sind, bei der Suche nach dem richtigen Sachverständigen benutzt werden, oder die Gerichte können bei einer einzelnen Kammer unter Beifügung der Prozessakten oder des Beweisbeschlusses anfragen, ob sie den in Frage kommenden Sachverständigen benennen können. Vielfach wird das Gericht bei der Wahl des geeigneten Sachverständigen jedoch auf eigene Erfahrungen aus vorangegangenen Verfahren zurückgreifen können und deshalb wissen, welcher Sachverständige besonders kompetent für die Beantwortung der sich stellenden Fragen ist.
  5. Haftung des Sachverständigen
    Sachverständige, die von einem Gericht zur Gutachtenerstellung beauftragt wurden, haben Schadenersatz zu leisten, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstellt haben. Diese Regelung ergibt sich aus dem neuen § 839 a BGB (eingeführt durch das zweite Gesetz zur Änderung schadenersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002; BGBl. Teil I S. 2674).
  6. Entschädigung des Sachverständigen
    Am 01. Juli 2004 ist das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz in Kraft getreten, das die Gerichtskosten, die Rechtsanwalts- und Sachverständigenvergütung sowie die Entschädigung für Zeugen und ehrenamtliche Richter grundlegend neu gestaltet. Das bisherige Zeugen – und Sachverständigenentschädigungsgesetz (ZSEG) ist durch das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) ersetzt worden. Hinsichtlich der Vergütung für Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer wurde das nicht mehr zeitgemäße Entschädigungsprinzip abgeschafft. Stattdessen wird deren gerichtliche Tätigkeit nunmehr auf der Basis eines leistungsgerechten Vergütungsmodells honoriert, das sich am Leitbild des selbständig und hauptberuflich Tätigen orientiert. Leistungen werden klar definierten Honorargruppen mit festen Stundensätzen zugeordnet, deren Höhe sich deutlich stärker an den auf dem freien Markt üblichen Entgelten orientiert. Streitigkeiten über die konkrete Höhe des Stundensatzes innerhalb des bisher geltenden weiten Rahmens werden damit künftig vermieden. Es gibt keine Erhöhungsmöglichkeiten mehr bei wissenschaftlicher Lehre, Berufssachverständigen oder Erwerbsverlust durch die Dauer/Häufigkeit der Heranziehung als gerichtlicher Sachverständiger.
    Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer erhalten somit als Vergütung ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie Ersatz für besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt. Die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; anderenfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags.

Weitere Informationen erhalten Sie auch bei der Architektenkammer Niedersachsen.

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